Bilanz des Wohnungspolitischen Konzeptes von 2015 – Teil 4: Die ProPotsdam

Das Wohnungspolitische Konzept der Landeshauptstadt
„Stadt für alle“ zieht eine kritische Bilanz

2015 verabschiedeten die Stadtverordneten ein Wohnungspolitisches Konzept. Derzeit wird es überarbeitet.
Für uns Anlass zu fragen, wie die Bilanz im Jahr 2023 ausfällt.
Erfolge werden mit Sicherheit andere für sich verbuchen wollen.
Wir konzentrieren uns auf Versäumnisse und Fehlschläge.

Teil 4: Die Geschäftspolitik der ProPotsdam –
oder: was erfolglose Bürgerbegehren bewirken können

Was war der Auftrag?

“ 4.A Bei den Zielen der ProPotsdam das Ziel „Bezahlbarkeit“ stärken

Die Zielstellungen der Landeshauptstadt Potsdam, die wirtschaftlichen Potenziale und Interessen der ProPotsdam und die sich daraus evtl. ergebenen Zielkonflikte werden bereits seit 2008 innerhalb eines sogenannten Balanced-Scorecard-Verfahren (BSC) abgestimmt.
Dabei wurde auch der Tatsache Rechnung getragen, dass das Unternehmen neben der Bereitstellung und Schaffung von Wohnraum, der energetischen Anpassung der Bestände, mietstabilisierenden Maßnahmen und der Unterstützung der sozialen Wohnungsversorgung weitere Aufgaben für die öffentliche Hand erfüllt (u.a. stadtentwicklungspolitische Projekte sowie Sonderprojekte wie Speicherstadt, Luftschiffhafen).
Zur Finanzierung dieser strategischen Ziele verzichtet die Landeshauptstadt Potsdam auf Ausschüttungen.
Für die anstehende Neubewertung der BSC-Ziele wird empfohlen, dass die Sicherung der Bezahlbarkeit des Wohnens sowohl durch Neubau als auch im Bestand insgesamt stärker gewichtet wird. Dies ließe sich beispielsweise durch die Vorgabe klären, dass der derzeitige Marktanteil von rund 20 Prozent mindestens gehalten werden soll – etwa auch durch Bestandsankäufe.”

Wurde der Auftrag erfüllt?

Die Frage lässt sich schwer beantworten. Die Schwierigkeit liegt zum einen darin, dass im Konzept von 2015 nicht bestimmt ist, mit welchen Maßnahmen das Globalziel „Bezahlbarkeit des Wohnens“ umgesetzt und an welchen Kriterien die Zielerreichung gemessen werden soll. Gleichfalls unbestimmt blieb, in welcher Weise die LHP als Gesellschafterin der ProPotsdam die stärkere Ausrichtung der Geschäftstätigkeit auf die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum unterstützten wird, in dem sie innerhalb der Logik der BSC-Verfahrens die Anpassung anderer Unternehmensziels ermöglicht (z.B. Verzicht auf Sonderprojekte oder Übernahme von Stadtentwicklungsaufgaben).
Zwischenfazit: Sowohl Unbestimmtheit der Zielstellung als auch Undurchsichtigkeit der Neujustierung der Unternehmensziele nach 2016 lassen kein Antwort über die Erfüllung des Auftrages des Wohnungspolitischen Konzepts an die ProPotsam zu.

Eine Ausnahme in Bezug auf Unkonkretheit ist die Empfehlung, in der wachsenden Stadt den Anteil von mindestens 20% am Potsdamer Wohnungsmarkt zu halten. Dies sollte auf zwei Wegen geschehen: Neubau und Ankauf bzw. Halten von Häusern im Wohnungsbestand.
Der Kurzbericht zur Wohnungsmarktbeobachtung vom Februar 2023 stellt fest, dass der Anteil der ProPotsdam am Wohnungsbestand im Stadtgebiet 19,5% beträgt. (Stand 31.12.2021). Das Ziel würde demzufolge knapp verfehlt.
Auch das Neubauprogramm, das im Zeitraum von 2011 bis 2027 in Potsdam 2500 Wohnungen plant, konnte das nicht verhindern. Abgesehen davon, dass nicht jede neue errichtete Wohnungen im bezahlbaren Segment lag. Erst in jüngster Zeit wurde im Neubau der Anteil an WBS – Bindung deutlich erhöht.

Über den Erwerb von Wohnungsbeständen durch die ProPotsdam ist nichts bekannt, wohl aber über den Verkauf. Es handelte sich zum einen um sog. Restitutionsobjekte, bei denen während der Zeit der Klärung der Eigentumsverhältnisse ein Sanierungsbedarf auflief. Zum anderen bot die ProPotsdam als Entwicklungsträger auch Bestände auf Immobilienmessen an und Gebäude und Grundstücke gingen immer noch im Höchstgebotsverfahren auf den Markt.

Seit 2012 wirkte bereits eine mietpreisdämpfende Maßnahme: Der Zeitraum, innerhalb dessen in bestehenden Mietverhältnissen die Mieten um die gesetzlich zulässige Spanne von 15% erhöht werden, wurde von der ProPotsdam von drei auf vier Jahre verlängert. Damit lag die durchschnittliche Mietsteigerung im Gesamtbestand zwar stets unterhalb der gesetzlich zulässigen Werte, aber dennoch ungefähr 1% über dem Anstieg des Verbraucherindexes.

Ob es ab 2016 nach Einführung des Wohnungspolitischen Konzepts in der Führungsetage der ProPotsdam Erwägungen in gab, die Balance in der Scorecard stärker in Richtung mietpreisbremsende Maßnahmen zu verschieben, ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Dann aber kam 2021 Bewegung in die Sache.

Warum das Bürgerbegehren zum Mietendeckel der ProPotsdam half, das Ziel Bezahlbarkeit zu erfüllen

Im Frühjahr 2021 formierte sich eine Initiative, die ein Bürgerbegehren für einen Mietendeckel im städtischen Wohnungsbestand anstrebte. Die Forderung war, die Mietsteigerungen auf 1% innerhalb von fünf Jahren zu begrenzen. Die von der Stadtverwaltung zusammengestellte Schätzung der Kosten, die sich bei Umsetzung der Forderung des Bürgerbegehrens ergeben würden, war furchteinflößend: Bis 2030 würden die Einnahmeverluste die Summe von 200 Mio. € erreichen. Sie würden dann fehlen, die Vorhaben des sozialen Wohnungsbaus oder den LHP Masterplan 100% Klimaschutz umzusetzen. Längerfristig, so war zu hören, würden die Einnahmeausfälle an die Substanz des Unternehmens gehen, der Verkauf von Wohnhäusern wäre unausweichlich und die Landeshauptstadt müsse das kommunale Unternehmen dauerhaft bezuschussen. Das war in der Tat ein Szenario, dass sich ehrlichen Herzens niemand in Potsdam wünschen dürfte, am wenigsten die Initiatoren des Bürgerbegehrens.

Bis zum Mai 2022 kam die erforderliche Zahl von ca. 17 000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zum Mietendeckel zusammen. Es wurde aber im Dezember von der Kommunalaufsicht als rechtlich nicht zulässig erklärt und damit begründet, dass Mieten kommunaler Unternehmen Gebühren seien, worüber Bürger*innen laut Kommunalverfassung nicht abstimmen dürften. Angesichts der erwartbaren Verfahrensdauer von mehreren Jahren verzichtete die Bürgerinitiative darauf, die Entscheidung der Kommunalaufsicht gerichtlich überprüfen zu lassen.

Die Botschaft des Bürgerbegehrens jedoch war in der Stadtpolitik angekommen: Neubau allein genügt nicht, es muss etwas getan werden, was unmittelbare Wirkung auf die Miethöhe hat.

Der Oberbürgermeister und die ProPotsdam stellten einen ‘Aktionsplan für bezahlbares Wohnen und sozialen Zusammenhalt’ auf, der von der Stadtverordneten im Dezember 2020 beschlossen und mit einer Laufzeit bis 2027 als Vereinbarung zwischen der LHP und dem kommunalen Wohnungsunternehmen unterzeichnet wurde.

Die Vereinbarung enthält ein Paket von Maßnahmen, die durchaus vernünftig sind und die Sicherung bezahlbarer Miete, den Wohnungsneubau sowie den Klimaschutz zu vereinen suchen.

https://www.propotsdam.de/fileadmin/Bilder/Platzhalter/VereinbarungPotsdamerAktionsplanbezahlbaresWoh_V2_final.pdf

Maßnahmen mit unmittelbar mietpreisdämpfender Wirkung sind:
– Moratorium bei Mieterhöhungen bis Oktober 2023
– Begrenzung der Mieterhöhungen ab November 2023 im gesamten kommunalen Bestand auf maximal 10% innerhalb von drei Jahren
– Kappung der Mieterhöhung auf 5%

Die vereinbarten Maßnahmen sind zwar ein ganzes Stück von den Forderungen des Bürgerbegehrens entfernt, haben aber einen ähnlichen, wenn auch deutlich geringeren, dämpfenden Effekt auf den Mietanstieg sowohl in den kommunalen Wohnungen als auch im gesamten Potsdamer Stadtgebiet.

Fazit
Man muss nun darauf vertrauen, dass ProPotsdam und Stadtverwaltung die Kosten des Maßnahmepakets richtig kalkuliert haben und in den nächsten Jahren nicht die Gefahren über das Unternehmen hereinbrechen, die beim Bürgerbegehren heraufbeschworen wurden.
Mit gewissem Erstaunen kann der Beobachter der Szenerie jedoch konstatieren, dass Ereignisse zuweilen listige Wendungen nehmen können und Unternehmungen, obgleich in der Sache erfolglos, im Nachhinein gelegentlich segensreiche Wirkungen entfalten.…..

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