Nichts ist gut!
Henri Kramer hat in der PNN einen neuen Kommentar zu den angepassten Plänen zum RAW – Gelände geschrieben. Tenor: Alles wird besser.
Nein.
Nichts ist besser.
Die zentralen Kristikpunkte sind nicht einmal im Ansatz gelöst.
Wir wissen immer noch nicht, wer eigentlich warum dort investieren wird, kennen keine Quellen des Kapitals, kennen die realen Besitzverhältnisse und Geldflüsse nicht.
Über die Verbindungen zu anderen Investmentgesellschaften wie Trockland werden uns weiter Geschichten erzählt, die weit weg von der Wahrheit sind.
Wir kennen auch die genannten „Ankermieter“ nicht, haben keine Ahnung von deren Geschäftsfeldern und Beschäftigungsmethoden.
Überhaupt nicht diskutiert wird bisher, welche Wirkungen ein solches Projekt für die Stadt und den Stadtteil haben wird. Mehr als 1000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen, im SAP – Quartier, in Golm, im Kirchsteigfeld bei ähnlichen Projekten weitere Tausende. Nur gibt es in der Stadt keine Tausende arbeitslose IT – Fachleute und überqualifizierte Start – up` s. Das heißt im Grunde, wir schaffen gerade die Voraussetzung dafür, dass in den nächsten Jahren Tausende neue Menschen nach Potsdam kommen sollen.
Ist dies das „gesteuertes“ Wachstum, wie es die Politik im letzten Wahlkampf versprochen hat oder feuern wir dies damit erst richtig an? Wo entstehen denn die Wohnungen, die Verkehrswege, die Bildungs – und Kultureinrichtungen für diese neuen BürgerInnen Potsdams?
Von überall dort, wo solche IT – und Start – up – Zentren schon existieren, gibt massenhaft Berichte von exorbitanten Mieterhöhungen, von Verdrängungen der bisherigen Bevölkerung, von extremer sozialer Spaltung. Wer sich am anschaut, wie in die Grundstückspreise allein bei Ankündigungen von Google, Amazon und co. in die Höhe schießen, wie im Silicon Valley selbst VerkäuferInnen, LehrerInnen, Angestellte in Bauwägen leben müssen, weil die Mieten längst unbezahlbar geworden sind, kann sich vielleicht ein Bild davon machen, was Potsdam bevorsteht.
Was wird dieses Mega – Projekt – und das ist es weiter – mit den angrenzenden Stadtteilen, dem Freiland, den kleinteiligen Wohnquartieren bis nach Babelsberg, mit den anderen Gewerben machen? Wer wird sich diesen Stadtteil in 10 Jahren noch leisten können?
Niemand hat bisher auch nur angefangen, darüber zu diskutieren, ob die Stadt diese schöne neue Arbeitswelt eines solchen „Digitalzentrums“ überhaupt möchte und verkraften kann. Überall gibt es Berichte über krasse Formen der Selbstausbeutung in diesen neuen Arbeitswelten, über burnout, Datenkraken und Manipulation. Wollen wir darüber überhaupt nicht reden? Fragt sich wirklich niemand, warum in Berlin soviele Menschen den neue Google – Campus verhindert haben, warum selbst New York Amazon nicht haben wollte?
Vielleicht liegt es daran, dass in Potsdam seit vielen Jahren immer nur über Äußerlichkeiten geredet wird. Hauptsache, alles sieht „schön“ aus. Dann reichen auch kleinere kosmetische Verbesserungen und „alles ist besser“.
Ja, aus der Perspektive von Henri Kramer bestimmt.
Für andere Sichtweisen müsste man ja mal kristisch darüber nachdenken, was Stadtentwicklung mit den Menschen macht und nicht nur auf die Fassade schauen.
Holger Zschoge/ Stadt für alle Potsdam