Es geht um die Attrappe der Garnisonkirche Potsdam, längst vorhersehbare Kostensteigerungen, ihre Finanzierung und viel mehr…
Wir dokumentieren hier den Briefwechsel zwischen Frau Krieg von der BI Potsdam ohne Garnisonkirche und Frau Grütters als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (hier vertreten durch Herrn Stürzebecher).
Der Briefwechsel legt Denk- und Arbeitsweisen offen. Er deckt aber auch eine fragwürdige Förderpraxis und Defizite seitens der Geldgeber auf. Die Verschenkung von Steuergeldern gerät an die Grenzen der Legalität. Verantwortung wird solange aufgeteilt, bis sich niemand mehr für das Gesamtprojekt verantwortlich fühlt. Während viele Kunst- und Medienschaffende und Kultureinrichtungen gerade 2020 ihr finanzielles Desaster erlebten, wird seitens der Bundesbeauftragten nahezu unkontrolliert und ohne gesellschaftliche Rechtfertigung Geld mit vollen Händen an Bauträger*innen verschenkt. Auch nach Potsdam.
Potsdam, den 24.11.2020
Sehr geehrter Frau Grütters, sehr geehrte Mitarbeiter*innen,
hier schreibt Sara Krieg, Sprecherin der Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“.
Mit Erstaunen haben wir heute der Potsdamer Lokalpresse entnommen, dass im Haushaltsentwurf der BKM weitere 4,5 Mio. Euro für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche vorgesehen sind: https://www.pnn.de/potsdam/kostensteigerung-fuer-wiederaufbau-in-potsdam-weitere-4-5-millionen-euro-fuer-die-garnisonkirche/26652656.html
Noch vor ein paar Monaten hat Frau Grütters dem Abgeordneten Norbert Müller auf Anfrage mitgeteilt, dass 2021 keine weiteren Bundesmittel für das Projekt fließen sollen: https://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam/Bund-gibt-2021-kein-zusaetzliches-Geld-fuer-Potsdamer-Garnisonkirchbau
Nun taucht auf einmal eine stattliche Summe in der Bereinigungsvorlage auf, die schon übermorgen beschlossen werden soll, ohne jegliche Transparenz, öffentliche Debatte oder Rechtfertigung für diese Kehrtwende. Erneut scheint der Bund die laufende Debatte in Potsdam nicht zu berücksichtigen. Während der amtierende Potsdamer Oberbürgermeister sich zusammen mit der Stadtverordnetenversammlung um Schlichtung bemüht, gießt der Bund Öl ins Feuer und stärkt der Stiftung Garnisonkirche den Rücken, trotz deren weiterhin unseriöser und intransparenter Finanzplanung sowie katastrophaler inhaltlicher Konzeption.
Können Sie uns bitte erklären, wie es zu dieser Entscheidung kam? Wie kann es sein, dass eine Finanzspritze auf die andere folgt, während es der Stiftung Garnisonkirche offensichtlich nicht gelingt, eine belastbare Kalkulation vorzulegen oder einen angemessenen Eigenanteil durch private Spenden zu erwirtschaften? Warum übernimmt die öffentliche Hand nicht die Federführung für die Gestaltung des Projekts unter Beteiligung der Öffentlichkeit, wenn sie es schon zum Großteil finanziert?
Für eine Rückmeldung wäre ich dankbar, ob per Mail oder telefonisch unter 0176-XXXXXXX.
Mit freundlichen Grüßen,
i.A. Sara Krieg
Antwort der BKM vom 26.11.2020
Referat K 55 – Grundsatzfragen Bau, Bauangelegenheiten und Baukultur mit Sitz in Bonn
Sehr geehrte Frau Krieg,
vom Büro der Staatsministerin Frau Professor Grütters wurde unser Referat K 55 gebeten, Ihnen zu antworten.
Ich übernehme gerne die Beantwortung und möchte Ihnen die Hintergründe erläutern, damit Sie sich ein objektives Bild zu den Entscheidungen der Bundesregierung zur Mittelerhöhung für den Wiederaufbau des Kirchturms der Garnisonkirche machen können.
Unser Referat K 55 ist zuständig für die Garnisonkirche Potsdam. Als Referat für Grundsatzfragen Bau, Bauangelegenheiten und Baukultur beschäftigen wir uns ausschließlich mit Baumaßnahmen und Kulturinvestitionen von überregionaler Bedeutung, die vom Deutschen Bundestag initiiert und beschlossen wurden. Wir begleiten also Baumaßnahmen von externen Bauherren (zumeist privatrechtlich organisierte Vereine und Stiftungen oder öffentlich-rechtliche Stiftung, aber auch Kommunen) von der Bedarfsplanung und der weiteren Bauplanung bis zur Durchführung und der Baufertigstellung. Dabei geht es ausschließlich um das Bauverfahren, die baufachliche und verwaltungsmäßige Prüfung, die Bewilligung und Mittelauszahlung und Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung. Die Entscheidung der Förderung wird bei den Maßnahmen, die vom Deutschen Bundestag beschlossen werden, dort getroffen.
Unser Referat begleitet mittlerweile mehr als 100 Investitionsprojekte, die Stiftung Garnisonkirche Potsdam ist nur eines davon; andere sind z.B. das Deutsche Hafenmuseum, das Märkisches Museum und Marinehaus in Berlin, das Schloss Friedenstein Gotha, der Jüdische Campus in Berlin, die Evangelische Schlosskirche Berlin-Buch, das Focke-Museum Bremen, das Nationaltheater Mannheim, die Friedenskirche Altona-Ost, DOMiD (Dokumentationszentrum und Museum für Migration in Deutschland). Bei diesen Baumaßnahmen ist die BKM – aufgrund der getroffenen parlamentarischen Entscheidung – weit weniger fachlich involviert, wie es bei anderen Baumaßnahmen der Fall ist, bei denen die BKM zugleich institutionell fördert und insoweit Verantwortung trägt für das Arbeits- und Bauprogramm der jeweiligen Einrichtung. Als solches Beispiel kann ich das Bauhaus Museum der Stiftung Bauhaus Dessau anführen, für das ich vor einigen Jahren in einem anderen Referat mit zuständig war und wo ich auch mit Herrn Professor Oswalt zusammengearbeitet habe. Bei der Stiftung Bauhaus Dessau ist die BKM auch institutioneller Zuwendungsgeber; aus dieser Verantwortung heraus müssen die zuständigen Kolleginnen und Kollegen sich intensiv mit den fachlichen Inhalten des Ausstellungs- und Vermittlungsprogramms beschäftigen und die Beschlüsse in den Entscheidungsgremien mit vorbereiten.
Bei den vom Parlament beschlossenen und in unserem Referat betreuten Maßnahmen sind wir nicht institutioneller Zuwendungsgeber; eine laufende Finanzierung und fachliche Begleitung der jeweiligen Einrichtung ist ausdrücklich nicht beabsichtigt.
Bei diesen Maßnahmen ist unser Auftrag und Ziel, dass die vom Parlament beschlossenen Sanierungs- oder Neubauprojekte durchgeführt und fertiggestellt werden können.
Wir haben derzeit bei nahezu allen Baumaßnahmen Probleme wegen der guten baukonjunkturellen Entwicklung. Leider führt dies dazu, dass bei Ausschreibungen oft keine oder völlig überhöhte Angebote eingehen. Bei vielen Projekten ergeben sich Mehrausgaben, die von den Zuwendungsgebern, den Bauherren oder anderen Finanzgebern und Spendern finanziert werden müssen, wenn man nicht eine Ruine hinterlassen will. Es ist daher keine Seltenheit, dass bei den vom Parlament beschlossenen Maßnahmen im weiteren Verlauf zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Garnisonkirchen Potsdam wird da genauso behandelt, wie beispielsweise das Josef-Albers-Museum in Bottrop. Meinen Sie wirklich, dass in solchen Fällen, wo es um die Mittelerhöhung aufgrund von Baupreissteigerungen geht, eine öffentliche Debatte geführt werden sollte?
Wir waren davon ausgegangen, dass bei der Garnisonkirche Potsdam nach den zusätzlichen Mitteln, die im letzten Jahr beschlossen wurden, der Bau planmäßig weitergeführt werden kann. Frau Staatsministerin Professor Grütters hat daher auf die Schriftliche Frage des Herrn Abgeordneten Norbert Müller vom 16.07.2020 dem seinerzeitigen Kenntnisstand entsprechend geantwortet, dass die Bundesregierung nicht plant, im Zuge des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2021 weitere Mittel für den Bau zur Verfügung zu stellen. Zu dem Zeitpunkt wurde von der Bundesregierung der Bundeshaushalt 2021 beschlossen und darin waren auch definitiv keine Mittel für die Garnisonkirche vorgesehen.
Völlig überraschend wurden das Bundesfinanzministerium und wir in den letzten Tagen darüber informiert, dass sich bei drei aktuellen Vergaben zum Innenausbau ganz erhebliche Mehrausgaben aufgrund der eingegangen Angebote ergeben. Dabei waren die zugrundeliegenden Kostenschätzungen für die Vergabe baufachlich völlig korrekt und seriös ermittelt. Der Vorwurf einer schlechten Kalkulation ist nicht zutreffend. Es ist allerdings zu befürchten, dass bei den weiteren noch ausstehenden Vergaben sich die Situation wiederholt.
Es wurde daher entschieden für die weiter drohenden Mehrausgaben Haushaltsvorsorge zu treffen, weil es völlig ausgeschlossen ist, in diesem Stadium den Bau abzubrechen. Die Einplanung zusätzlicher Mittel konnte haushaltstechnisch nur über die entsprechende Bereinigungsvorlage des Bundesfinanzministeriums durchgeführt werden. Der Betrag muss noch vom Parlament beschlossen werden.
Ich sehe darin keine Kehrtwende.
Der entsprechende Betrag ist indes nur eine haushaltsmäßige Ermächtigung. Er steht der Stiftung nicht unmittelbar zur Verfügung. Es muss erneut ein Antrag – vielleicht auch mehrere – gestellt werden auf der Grundlage tatsächlich eingetretener Mehrausgaben aufgrund durchgeführter Ausschreibungen. Diese Anträge werden von uns und der Bauverwaltung baufachlich und verwaltungsmäßig geprüft und sodann bedarfsgerecht bewilligt.
Für weitere Fragen oder ein Gespräch stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Stürzebecher
Reaktion der BI PoGK vom 22.12.2020
Sehr geehrter Herr Stürzebecher,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort, die ich sehr aufschlussreich finde.
Besonders interessant finde ich Ihre Offenbarung, dass die BKM das Projekt bis zum Ende durchzufinanzieren plant, da der Bau nicht abgebrochen werden könne. Sie beschreiben dieses Vorgehen, als wäre es völlig selbstverständlich. Leider hat die BKM versäumt, dies den Steuerzahlenden transparent zu machen.
Denn wer sich als Bürger*in über die uns zur Verfügung stehenden Wege zu dieser Fördermaßnahme informiert, bekommt ein anderes Bild vermittelt. Die ursprüngliche Zuwendung von 2017 war ganz klar eine Festbetragsfinanzierung. Im Förderbescheid vom 26.10.2017 steht schwarz auf weiß, dass die Stiftung Garnisonkirche für eventuelle spätere Kostensteigerungen alleine verantwortlich sei und weitere Zuwendungen ausgeschlossen seien. Dies wurde auch öffentlich so verlautbart.
Zum damaligen Zeitpunkt wurde also entweder eine potentielle Bauruine bereits in Kauf genommen oder die Steuerzahler*innen belogen.
Vor diesem Hintergrund ist es doch nur folgerichtig, dass jede weitere Verpflichtungsermächtigung öffentliche Entrüstung auslöst, v.a. wenn bei jeder Mittelerhöhung erneut betont wird, dass es darüber hinaus keine weiteren Bundesmittel geben wird. Wie oft sollen wir uns das noch anhören? _“Fool me once, shame on you, fool me twice, shame on me.“_ Schenken Sie doch den Bürger*innen reinen Wein ein und stehen Sie öffentlich dazu, dass es sich hier um ein Fass ohne Boden handelt. Dass Sie von diesen „Kostensteigerungen“ immer wieder aus dem Nichts überrumpelt werden, ist schon sehr merkwürdig, denn für den Rest der Welt ist schon seit Jahren offensichtlich, dass die Kosten für dieses Projekt explodieren würden und die Stiftung unter chronischem Geldmangel leidet.
Selbst wenn die Bundesregierung naiv genug war, um darauf zu vertrauen, dass die SGP den unvorhersehbaren Rest alleine stemmen könnte, hätte doch das erste Anzeichen für ein Scheitern der Stiftung ein Anlass zum Innehalten sein müssen. Genau hier greift die Forderung nach einer öffentlichen Debatte. Das geringe Spendenaufkommen spricht ja nicht gerade für einen großen gesellschaftlichen Rückhalt für das Projekt. Anstatt es also in der geplanten Form um jeden Preis durchzudrücken, könnten aus dieser Erkenntnis Konsequenzen gezogen werden.
Sie sagen, der Bau könne nicht abgebrochen werden. Warum nicht? Das bereits vorhandene Gemäuer ließe sich doch sicherlich kreativ weiterverwerten. Die Anforderungen an die architektonische Form waren immerhin flexibel genug, um eine schmucklose Grundvariante als Fördergegenstand zu akzeptieren, da die Bundesregierung den Zweck der „Friedens- und Versöhnungsarbeit“ auch so für umsetzbar hielt. Genauso umsetzbar wäre er in einem noch stärker abgewandelten Gebäude.
Freilich ist eine solche Idee mit der SGP nicht umzusetzen, da diese an der historisierenden Fassade festhält. Da der Bund jedoch längst einen Großteil der Kosten trägt, würde es ihm auch zustehen, die Bauherrschaft über das Projekt zu übernehmen und in eine andere Richtung weiterzuarbeiten.
Ich muss Ihnen sicher nicht erklären, dass es sowohl gesellschaftspolitisch als auch förderrechtlich einen Unterschied macht, ob der Bund ein privatrechtliches Bauprojekt mit einem festen Teilbetrag bezuschusst oder ob er es de facto finanziell trägt. 24,75 Mio. EUR für ein Projekt, das vor drei Jahren 27 Mio. EUR kosten sollte, und trotzdem noch in privater Hand ist ohne öffentliche Einflussnahme oder Kontrolle. Wie wollen Sie das der Bevölkerung vermitteln? Warum machen Sie keine öffentlichen Angaben zu den geschätzten Baukosten für die „Grundvariante“ (Die Stiftung macht solche Angaben jedenfalls nicht, soweit der Presse zu entnehmen ist)? Kostet die Grundvariante schon so viel, dass ein Anteil von knapp 25 Mio. EUR immer noch nicht die Übernahme der Trägerschaft durch den Staat erfordern würde?
Die Trennung der Bauphasen, auf der die ganze Fördermaßnahme fußt, ist für die Öffentlichkeit vollkommen undurchsichtig. Im April fehlten der Stiftung laut eigener Aussage 5 Mio. EUR von 40,5 Mio. EUR für den gesamten Turm, also müssten zu dem Zeitpunkt rein rechnerisch 35,5 Mio. EUR vorhanden gewesen sein. Der Laie kann sich nur fragen, warum das nicht für die Grundvariante reicht, für die bisher keine andere Kostenangabe als die bereits erwähnten 27 Mio. EUR verlautbart wurde. Selbst für mich als einigermaßen sachkundige Aktivistin, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, ist völlig undurchsichtig, was die staatlich geförderte 1. Bauphase kosten soll und welchen Anteil Bund und Stiftung jeweils davontragen. Für weniger informierter Bürger*innen ist noch weniger, ja sogar überhaupt nicht nachvollziehbar, was da mit ihrem Geld passiert.
Anstatt zu beteuern, dass alles korrekt abläuft, sind Sie doch in der Pflicht, dies den Bürger*innen auch glaubhaft zu vermitteln und nachvollziehbar zu machen. Dies ist, denke ich, auch in Ihrem Interesse, um Akzeptanz zu schaffen. Das bisherige Gebaren der Bundesregierung ist jedoch nach außen hin eher wenig vertrauenerweckend.
Gerne nehme ich Ihr Gesprächsangebot an und freue mich über Terminvorschläge. Darüber hinaus rate ich Ihnen jedoch dringend, die Bevölkerung öffentlich über diese vielen Ungereimtheiten aufzuklären.
Mit freundlichen Grüßen,
Sara Krieg