Am 19.10.2022 hat Mitteschön ein Papier der Öffentlichkeit präsentiert. Schon der kurze Titel des Ideenpapiers strotzt vor Irritationen. „Programm Europakirche – Ideenpapier zur Vollendung des Gesamtkunstwerkes Garnisonkirche Potsdam“
Beim Wideraufbau der Garnisonkirche handelt es sich um eine Kopie, eine Reproduktion oder wenn schon in Kunstkategorien gedacht wird: ein Plagiat oder Kitsch. Des Weiteren wird ein Ideenpapier für ein Multifunktionssaal vorgestellt, in dem keine Gottesdienste stattfinden werden, da diese in der kleinen Kapelle im Turm stattfinden. Somit ist an der Begrifflichkeit „Europakirche“ nicht eine Nutzung, sondern nur die übersteigerte Wunschvorstellung, gar der Pathos und Grad der Verblendung einiger Bürger*innen ablesbar. Woher kommt dieser (wiederholte) Herrschaftsanspruch, dass diese Einrichtung nun die „Europakirche“ sein soll. Soll Europa am deutschen Wesen, preußischer Prägung genesen? Geht es nicht noch größer? Warum nicht gleich „Nabel der Welt“?
Der Drang nach großen Namen und Begrifflichkeiten passt zum Projekt und der Stiftung Garnisonkirche und ihrer konservativen Fördergesellschaft. Auch sie laben sich gern in großen Worthülsen.
Was konkret schlägt Mitteschön vor? Eine Multifunktionssaal mit bis zu 2000 Plätzen in Form des ehemaligen Kirchenschiffes. Mangelt es uns wirklich an Sälen und übergroßen, hochsubventionierten Konzert- und Veranstaltungsräumen in der Stadt? Nein.
Die sogenannte „Europakirche“ wäre nach Umsetzung des Mitteschön-Vorschlags dann ein bauliches Sammelsurium aus Kapelle, einem darüber liegenden Ausstellungsbereich, der Aussichtsplattform, einem Glockenspiel und dem gigantischen Multifunktionssaal. Das hat mit der ehemaligen Garnisonkirche wenig zu tun. Das hat nichts mit Kirche und christlicher Kirchenarbeit zu tun, sondern nur mit einem hegemonialen Blendwerk, der Bauhülle. Und um solche Nutzungen zu errichten, hätte nicht diese hässliche, pseudobarocke und überteuerte Hülle errichtet werden müssen. Das kommt dabei raus, wenn nicht der Inhalt die Architektur und Baustoffe bestimmt, sondern in eine unpraktische, historisch anmutende Hülle zwanghaft eine neue Nutzung presst werden soll.
Übrigens, den schönsten Ausblick über die Stadt hat man vom der Aussichtsplattform im Turm der Heilig-Geist-Kirchen-Attrappe. Die Stadt am Wasser ist von dort viel intensiver erlebbar, als an der lauten Breiten Straße. Auch sehr schön: der Blick von Belvedere auf dem Pfingstberg.
Das Mitteschön keinen Vorschlag zur Finanzierung des Saales macht, verwundert bei einer geschätzten Summe von über 100 Mio. Euro nicht. Der Turm ist abschreckendes Beispiel genug. So richtig spenden will für das Projekt keiner. Es bleibt somit wieder nur der Ruf nach der öffentlichen Hand. Zu den Betriebskosten eines solchen Multifunktionssaals äußern sich die „Bürger für die Mitte“ auch nicht. Der gigantische Hohlkörper, den ein solcher mehrstöckiger offener Saal darstellt, ist heiztechnisch eine Katastrophe. Für ihn müsste sogar ein anders Gebäude abgerissen werden. Von Nachhaltigkeit keine Spur.
Liebe Mitteschöner, macht bitte noch mehr solcher Vorschläge, damit noch mehr Menschen klar wird, dass es sich bei dem „Wiederaufbauprojekt GK“ um ein elitäres Luftschloss einiger Menschen handelt. Eine Minderheit, die nicht in der Lage ist, das Projekt ernsthaft umzusetzen, aber erwartet, dass die Gesellschaft es ihnen hinstellt. Nur um sich wohler zu fühlen, nur weil das Ding angeblich „schön“ ist? Soviel Kleingeist und Egoismus darf nicht der Nabel der Welt sein.
OWCL