Was uns alle erwartet, wenn der nachgebaute Turm der Garnisonkirche 2024 seine Pforten öffnet ist erschreckend. Ein Blick in die Online-Ausstellung der Stiftung Garnisonkirche lässt Zweifel an deren Aufarbeitungswillen hinsichtlich der deutschen Geschichte und am Versöhnungswillen bestehen.
Aktuell wirbt die Stiftung damit, dass sie die Leistung zur Turmspitze ausgeschrieben hat. Ausreichend Geld hat sie für deren Umsetzung nicht. Wenn sie es hätte, würde sie damit protzen. So aber wartet sie ab, ob überhaupt Angebote eingehen und was sie kosten sollen. Witzig, dass sogar schon ein Datum kursiert, wann die Turmspitze aufgesetzt werden soll: der 16.Juli 2025. Warum dies am Geburtstag von Sarah Wagenknecht erfolgen soll, erschließt sich nicht gleich. Doch wer die Stiftung kennt weiß, dass sie gern den 20.Juli mit fertiger Optik huldigen will. Es ist ein Mythos, der gepflegt werden soll, nämlich dass der „adlige“ Putschversuch vom 20. Juli 1944 gegen Hitler etwas mit dem Besuch der Garnisonkirche zu tun hat.
Wir nehmen gern Wetten an, dass auch dieses Datum nicht gehalten wird. Immerhin sollte der Turm ja schon zum 31. Oktober 2017 stehen. Finanziert aus Spenden! Münchhausen lässt grüßen.
Vor einhundert Jahren, von 1925 bis 1930 wurden umfängliche Reparaturarbeiten am Turm vorgenommen. 800.000 Reichsmark soll dies den Preußischen Staat gekostet haben. „In Rücksicht auf die hohe geschichtliche Bedeutung dieser Schöpfung Friedrich Wilhelms I. und der Ruhestätte Friedrich des Großen (kann das) als heilige nationale Pflicht bezeichnet werden.“ So die Begründung. Längst liegt Friedrich der Große nicht mehr in der Gruft und längst gestehen Befürworterinnen und GegnerInnen des Wiederaufbauprojektes ein, dass die Garnisonkirche ein „zentraler Erinnerungsort für den preußischen Militarismus“ ist.
siehe Bild Staatskirche
Doch nun zur Ausstellung und deren verqueren Ansichten und Behauptungen. Im Infoteil „Pilgerstätte“ wird darauf eingegangen, dass die Garnisonkirche in den 1930er Jahren zu einem Besuchermagnet wurde. Speziell bei den Nationalkonservativen und Faschisten. „Die Besucherzahl hatte sich von 1933 bis 1939 mehr als verdoppelt.“ 1926 strömten lediglich „50.000 Besucher“ in die Gruft/Kirche. Die Stiftung Garnisonkirche rechnet hundert Jahre später mit 80.000 BesucherInnen im Jahr. Allerdings sollen diese 12 Euro statt 25 Pfennig zahlen. Und eine Gruft gibt es nicht. Keine Königssärge, keine Fahnen aus längst vergangenen Schlachten, lediglich eine leere Kapelle und eine voraussichtlich schlechte Ausstellung. Und natürlich eine Aussichtsplattform, die es damals nicht gab.
„Im Jahr 1937/38 kauften mehr als 450.000 Besucher ein Ticket“. In der Online-Ausstellung heißt es u.a. dazu „Eine Ehren-Abordnung deutscher Arbeiter besichtigte in Potsdam die Königsgruft in der Garnisonkirche.“ Auf dem Bild daneben ist eine Ansammlung von unterschiedlich uniformierten Menschen zu sehen, die alle die Hakenkreuzbinde oder andere Verbandsabzeichen tragen. Fast euphorisch und wie immer kommentarlos führt der Text dazu weiter aus „Bei über 1.000 Besuchern pro Tag waren solche Schlangen vor der Grablege der Preußenkönige an der Tagesordnung.“
Das es hierbei um eine fortgesetzte Kontinuität oder Kontinuitätssuche von Nationalismus, Faschismus und preußischen Militarismus geht, wird nicht erwähnt. Der Tag von Potsdam war kein Einzelfall. Er war nur ein Meilenstein in einer antidemokratischen Geschichte von 1918 bis 1945. Der Sehnsuchtsort Garnisonkirche hatte seine Hochzeit in der Nazizeit. Seither gilt er als rechter Kult- und Erinnerungsort. Die Gefahr, diese Kontinuität ins 21. Jh zu transportieren, besteht angesichts des rechten WählerInnenpotentials und des Rechtsrucks in der Gesellschaft weiterhin.
Siehe Bild Pilgerstätte 1
Selbst der Besuch des italienischen Faschisten Benito Mussolini am 28. Sept.1937 wird hier als Promibesuch dargestellt. „Duce“ war auch da! Muss ja ein toller Ort sein. Fehlt nur noch das Selfi. „Meist sollte der Ausflug nach Potsdam als ein politisches Zeichen die engen Beziehungen zu den verbündeten Staaten bekräftigen.“ Das dieses politische Zeichen ein Faschismus-Pakt war, wird nicht erwähnt. Auch nicht, dass auch der Generalstabschef der faschistischen Miliz Italiens, Fasci di Combattimento und General Russo sowie SA-Führer Viktor Lutze sich im Juli 1938 dort trafen. Auch nicht der Besuch des japanischen Außenministers Matsuoka in der Garnisonkirche 1941.
Siehe Bild Pilgerstätte 2
Der Besuch des überzeugten Antisemiten und des Mitgliedes des Ministerrates für die Reichsverteidigung, Rudolf Hess, wird hingegen dargestellt. Nicht ohne Hintergedanken. Anlass des Besuches war der 150. Todestages des Alten Fritz. Die Stiftung meint „Der monarchistisch-konservative Charakter der ehemaligen Residenzstadt machte Potsdam aber eher zu einer ambivalenten Bühne für propagandistische Inszenierungen des NS-Regimes, die in anderen Städten wirkungsvoller zur Entfaltung kamen.“ Das schöne unschuldige Potsdam wurde also wieder einmal missbraucht. Und in anderen Städten war die NS-Inszenierung angeblich wirkungsvoller. Beispiele oder Fakten werden keine genannt. Das ist nicht nur ein Widerspruch zu den vorher hervorgehobenen Besucherzahlen in der Nazizeit, sondern auch zur Selbstinszenierung der Stadt, als Geburtsstätte des Dritten Reiches. Nicht „dennoch“ wurde „Potsdam in den folgenden Jahren mit mehreren nationalsozialistischen Institutionen bedacht“, sondern darum. Es gab eine jahrzehntelange Symbiose aus Nationalkonservatismus, Königstreue und Faschismus in Potsdam. Nicht allein durch die NSDAP, sondern auch die DNVP, durch die vielen anderen Organisationen (z.B. Stahlhelm; Luisenbund…). Und dies alles nicht erst nach dem Tag von Potsdam.
Siehe Bild Pilgerstätte 3
Die Online-Ausstellung der Stiftung Garnisonkirche für die Zeit 1918 – 1945 disqualifiziert die Stiftung als seriöse Partnerin der Geschichtsaufarbeitung. Die Stifterinnen, die Stadt Potsdam und die evangelische Landeskirche (EKBO) sollten endlich korrigierend eingreifen. Ansonsten wird auch der reale Ausstellungsteil ein Propaganda-Desaster und ein Akt der Geschichtsrevision.
Und einen solchen Ort der Geschichtsverfälschung will die Stadt Potsdam und ihr Oberbürgermeister Schubert noch mit einem „Haus der Demokratie“ legitimieren. Nein Danke!